Collagen der Volksfrömmigkeit

Collagen

In der Sammlung des Heimatmuseums Schnaittach befinden sich zwei kunstvolle Collagen zur Szene der Verkündigung Mariens – einem zentralen Thema der christlichen Kunst. Die Werke stammen aus dem Besitz des Landwirts Josef Winter vom Kolbmannshof und sind seit der Gründung des Museums im Jahr 1923 Teil der Sammlung.

Mit handwerklichem Geschick wurden hier farbige Papierornamente, textile Stoffe, Aquarellmalerei und Glanzmaterialien zu komplexen Bildkompositionen kombiniert. Die auf mehreren Ebenen arrangierten Elemente erzeugen eine plastische Wirkung mit Tiefenräumlichkeit, die an bühnenhafte Szenerien erinnern. Solche collageartigen Techniken sind seit dem Barock in der religiösen Volkskunst nachweisbar, auch wenn der Begriff „Collage“ erst im 20. Jahrhundert durch die moderne Kunst geprägt wurde.

Diese Werke waren jedoch kein Experiment, sondern dienten der Andacht, der Ausschmückung des Herrgottswinkels und der Verinnerlichung religiöser Inhalte im privaten Raum. Besonders im süddeutschen Raum entstanden vergleichbare Arbeiten häufig in Frauenklöstern oder im Rahmen der häuslichen Mädchenerziehung, teils auch als Geschenke zu religiösen Festen wie Hochzeiten oder Erstkommunionen.

Ein besonderes Merkmal der Schnaittacher Collagen ist, dass die Szene auf zwei Bildtafeln verteilt ist. Jede Tafel zeigt einen abgeschlossenen Teil, doch beide gehören inhaltlich eng zusammen. Auf der linken Collage erscheint Erzengel Gabriel. Sein Gesicht, seine Hände und Füße sind mit feiner Aquarellfarbe gemalt. Seine Kleidung, die Flügel und die Wolken bestehen aus glänzenden Stoffen. Diese edlen Materialien zeigen, dass der Engel aus einer himmlischen Welt kommt; zugleich sollen sie die Betrachtenden im Herzen tief berühren. Die zweite Collage zeigt die knieende Maria. Um sie herum sieht man viele liebevoll gestaltete Einzelheiten: einen gemalten Boden mit Fliesenmuster in Perspektive, einen Wandteppich im Rokoko-Stil und einem gerafften Brokatvorhang. Das kleine Handarbeitskörbchen im Vordergrund verweist auf die alltägliche Welt der Frau, die die Collage gemacht hat, und verbindet das biblische Geschehen mit dem Leben der gläubigen Menschen damals.

Die Tafeln sind ein eindrucksvolles Beispiel gelebter Frömmigkeit und weiblicher Ausdruckskraft im religiösen Alltag Mitte des 18. Jahrhunderts.

 

(c) Dr. Nicole Brandmüller-Pfeil

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